Theoretische Grundlagen der Planung von Kompensationsanlagen 

 

 

    Broschüre "Entstehung und Kompensation von Blindleistung" - hier als Download

 

 

 

 

Grundlegende Kriterien zur Auslegung von Kompensationsanlagen

Allgemeines:

Zur Projektierung bzw. Auslegung  einer Kompensationsanlage ist in der Regel die Kenntnis und  Ermittlung folgender Parameter ausreichend:

Die o.g. Parameter sollen im folgenden definiert und näher erläutert werden, um auch dem Kunden, der nur gelegentlich mit der Problematik befasst ist, eine praxisgerechte Einarbeitung in das Thema zu ermöglichen.

Auf weitere Themen wie Mechanik und Kühlung soll hier nicht weiter eingegangen werden, da diese mehr den Anlagenhersteller betreffen.

 

1. Ermittlung der Anlagenleistung

Die notwendige Anlagenleistung  ist grundsätzlich von dem durch die jeweiligen Lasten vorgegebenen vorhandenen Leistungsfaktor im Netz (ohne Kompensationsanlage) und dem gewünschten zu erreichenden Leistungsfaktor abhängig (zur Vereinfachung wird der Leistungsfaktor hier mit dem Ziel-cos-Phi gleichgesetzt).

Da der vorhandene IST-Wert  in den meisten Anwendungsfällen durch zeitlich und leistungsmäßig wechselnde Lasten sehr differiert,  wird eine Netzmessung empfohlen, durch welche die Mittel- sowie Maximalwerte der Wirk- und Blindleistungen sowie des Leistungsfaktors ermittelt werden können. Gleichzeitig können durch eine Messung auch die vorhandenen Harmonischen in Spannung und Strom ermittelt werden, die Aussagen über die Notwendigkeit einer Verdrosselung (s. Abschnitt 3 ) geben.

Ist eine Netzmessung (z.B. in der Planungsphase) nicht möglich, kann – bei Kenntnis oder empirischer Annahme der IST-Werte von Leistung und Leistungsfaktor – eine rechnerische Ermittlung der notwendigen Kompensationsleistung erfolgen. Hierzu sind Tabellen oder Nomogramme in der Praxis hilfreich:

 Beispiel:

 Notwendige kapazitive Blindleistung zum Erreichen des gewünschten Ziel cosPhi:    

Tabelle 1      ( Quelle: EPCOS AG / General PFC  Product Profile 2008 )

Ermittlung des Faktors „F“ für die Berechung der notwendigen kapazitiven Blindleistung;   „F“: Umrechnungszahl (tan Phi1 – tan Phi2 )

 

2. Stufenleistung

 

Die Stufenleistung einer Kompensationsanlage – (kleinste mögliche Schaltleistung einer Stufe) – richtet sich ebenfalls nach dem jeweiligen Anwendungsfall. Sie sollte zwei (im Grunde widersprüchlichen) Forderungen möglichst gerecht werden:

 a)     Feinstufige Regelung der Anlage: bedingt möglichst kleine Stufenleistung 

Einsatz:       

Vorteil: 

Nachteile:     

 

b)     Schnelle Regelung bei wenig Schaltstufen: bedingt grobe Stufung

     Einsatz:

Vorteile:

Nachteile:     

 Je nach Anwendungsfall sollte einem der beiden o.g. Fälle der Vorzug gegeben werden.

 In der Praxis beträgt die Stufenleistung der kleinsten Stufe in der Regel 10 … 20% der Gesamtanlagenleistung.

 

3. Verdrosselungsgrad / Filterkreisdrosseln

Problem:

In modernen Netzen werden zunehmend oberschwingungserzeugende Lasten und Verbraucher betrieben. Hierzu gehören drehzahlgeregelte Antriebe, Gleichrichter, Thyristorsteuerungen, Leuchtstofflampen u.ä.  Hierdurch steigen Oberschwingungsbelastung und Klirrfaktor des Netzes. Durch die Oberschwingungen entsteht eine zusätzliche Blindleistungskomponente (Verzerrungsblindleistung)

Die in Kompensationsanlagen eingesetzten Kondensatoren bilden in Verbindung mit dem einspeisenden Transformator und den Netzinduktivitäten einen Schwingkreis. Dieser kann durch die Oberschwingungen angeregt werden und undefiniert in Resonanz geraten. Dadurch können die Harmonischen verstärkt werden, was im schlimmsten Fall zur Zerstörung der Kondensatoren führt.

Lösung:

Filterkreisdrosseln werden in Kompensationsanlagen mit den Kondensatoren in Reihe geschaltet. Sie bilden einen Serienschwingkreis. Die Resonanzfrequenz wird so abgestimmt, dass sie kleiner ist als die kleinste zu erwartende Oberschwingung in der Anlage. ( im Allgemeinen ist dies die 5. Oberwelle – 250 Hz)

Für alle Frequenzen oberhalb der Resonanzfrequenz (somit auch für die Oberschwingungen) wird die Reihenschaltung induktiv, somit wird die Möglichkeit einer Oberwellenresonanz zwischen Kompensationsanlage und Netzinduktivität ausgeschlossen.

Der Verdrosselungsfaktor p gibt das Verhältnis zwischen induktivem Blindwiderstand der Filterkreisdrossel und kapazitivem Blindwiderstand der Kondensatoren (induktive/kapazitive Reaktanz) an:

                                                               

Für den Verdrosselungsfaktor wurden feste Standardwerte definiert.

(Diese wurden u.a. eingeführt, um bestehende Rundsteuerfrequenzen nicht zu stören)

 

Verdrosselungsfaktor

Resonanzfrequenz

5,67 %

210 Hz

7 %

189 Hz

14 %

134 Hz

 

Aus Erfahrungswerten ist bekannt, dass Kondensatoren im Niederspannungsnetz i.a. nicht gefährdet sind, solange das Verhältnis Kondensator- zu Trafoleistung unter 0,20 liegt. In ausgesprochenen Schwachlastzeiten kann dieser Wert auf 5% absinken.

Unverdrosselte Kompensationsanlagen können aber auch dann überlastet werden, wenn keine Oberschwingungserzeuger im Verbrauchernetz installiert sind, jedoch ein oberschwingungsvorbelastetes EVU-Netz existiert. Wenn  die Netzimpedanz in Resonanznähe unter der Kurzschlußimpedanz des speisenden Trafos liegt, kann ebenfalls ein erheblicher Resonanzstrom aus der Mittelspannung auf die Niederspannungsseite fließen.

Darum sollten alle Kompensationsanlagen zum Schutz der Kondensatoren als verdrosselte Anlagen ausgeführt werden, wenn nicht eindeutig eine Oberwellenbelastung des Netzes ausgeschlossen werden kann.

Für den Anlagenhersteller ist in diesem Zusammenhang die Auswahl der Spannungsfestigkeit der eingesetzten Kondensatoren von Bedeutung, da durch die Serienschaltung der Drossel die Spannung über dem Kondensator angehoben wird.

  

4. Reaktionszeit / Schaltzeit

Herkömmliche Kompensation:

Die Schaltzeit ( Reaktionszeit ) einer Kompensationsanlage kann mittels des Blindleistungsreglers in weiten Grenzen eingestellt werden. (1 s …20 min.)

Die minimale Wiederzuschaltzeit  ergibt sich ( bei herkömmlichen schützgeschalteten Anlagen ) jedoch aus der minimal zulässigen Wiedereinschaltzeit der Kondensatoren. Ein Wiederzuschalten des Kondensators (nach vorheriger Abschaltung) ist erst nach einer Entladung auf ca. 10% der Ladespannung zulässig. Die hierfür notwendige Entladezeit ist abhängig von den verwendeten Entladewiderständen  und liegt bei ca. 60 Sekunden.  Dies ist auch die Werkseinstellung des Blindleistungsreglers.

(Auf Sonderfälle mit Schnellentladedrosseln, die kürzere Entladezeiten ermöglichen, soll hier nicht eingegangen werden)

Die praktische Reaktionszeit einer Anlage kann kürzer sein, da mehrere gleichwertige Stufen im Wechsel geschaltet werden können.

Für den Sonderfall Mittelspannungskompensation kann die Schaltzeit auch auf mehrere Minuten programmiert werden.

Aus o.g. Ausführungen ergibt sich, dass herkömmliche schützgeschaltete Kompensationsanlagen für normale praktische Anwendungen mit wechselnden Lasten, bei denen ein relativ langsames „Nachregeln“ des Ziel-cosPhi im Minutenbereich ausreichend ist, gut geeignet sind.

Seit einiger Zeit mehren sich jedoch Anwendungen, die nach wesentlich kürzeren Reaktionszeiten der Systeme verlangen. Typische Beispiele sind: 

Es versteht sich von selbst, dass Anlagen mit Reaktionszeiten von >30 Sekunden hier denkbar ungeeignet zum Kompensieren der Blindleistung sind - im schlechtesten Fall wird keine Stufe zuschalten.

Dynamische Kompensation:

Die Lösung für diese Fälle bieten dynamische Kompensationsanlagen, bei denen die Schaltschütze  durch spezielle Thyristorschalter zum Schalten kapazitiver Lasten ersetzt werden. Diese schalten die notwendigen Kondensatoren innerhalb ca. 5 ms ans Netz. Auf Wiedereinschaltzeiten muß keine Rücksicht genommen werden, da die Zuschaltung bei Spannungsgleichheit ( Kondensatorspannung = Netzspannung) erfolgt.

Der zugehörige dynamische Blindleistungsregler erlaubt die Programmierung von Schaltzeiten im Bereich von 20ms ….1 Sekunde. Auch hier ist die optimale Schaltzeit vom Prozess abhängig.

Dynamische Thyristorschalter für Kompensationsanlagen stehen von 10kvar – 200 kvar für Spannungsebenen von 400 V bis 690 V zur Verfügung.

Die Entscheidung, ob eine herkömmliche oder dynamische Anlage zum Einsatz kommt, ist daher nur vom Einsatzfall und der Aufgabenstellung abhängig. Der Vorteil der dynamischen Anlage ( schnelles Ausregeln, keine Netzrückwirkung, kein Verschleiß von Kontakten ) wird allerdings mit wesentlich höheren Investitionskosten erkauft.